mamonova news

Weitere Versorgungsebene ist überflüssig

Köln: Brauchen wir tatsächlich eine neue, eigenständige ambulante spezial- ärztliche Versorgungsebene als Bindeglied zwischen ambulantem und stationärem Sektor? Diese Frage, die der Entwurf des GKV-Versorgungs- strukturgesetzes aufwirft, beantwortet die GenoGyn klar mit „Nein“.

von Dr. Caroline Hoppe

 

Auch die Bundesländer sehen Änderungsbedarf an dem Entwurf, insbesondere am Passus zum spezialärztlichen Versorgungssektor. Mehrheitlich folgte der Bundesrat am 23. September 2011 einer einstimmigen Empfehlung seines Gesundheitsausschusses, der die neue Versorgungsebene im Strukturgesetz gestrichen in einem separaten Ge­ setz geregelt sehen will. Der gegenwärtige Gesetzesentwurf aus dem Bundesgesund­heitsministerium bedarf keiner Zustimmung durch den Bundesrat.
Der Berliner Gesetzentwurf enthält vielversprechende Ansätze, um etwa dem Ärztemangel auf dem Land entgegenzuwirken und eine wohnortnahe, bedarfsgerechte und flächendeckende medizinische Versorgung sicherzustellen. Die geplante ambulante spezialärztliche Versorgungsebene gehört jedoch nicht zu diesen guten Ansätzen. Im Gegenteil: Sie verlagert ambulante Behandlungen in die Krankenhäuser, gefährdet so die Existenz von Facharztpraxen und dadurch auch die wohnortnahe fachärztliche Versorgung der Patienten. Die Etablierung einer eigenständigen dritten Versorgungsebene ist überflüssig, denn eine engere Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor durch Kooperation führe zum gleichen Resultat.
Bei den Bundesländern heißt es: „Die Ausgestaltung des vorgesehenen neuen Versorgungsbereichs ist unpraktikabel und offenbart in der vorliegenden Form Rege­ lungslücken und Fehlanreize, die andere Zielsetzungen des Gesetzesentwurfs kon­terkarieren.“ Sie befürchten auch eine Ausweitung des Bereichs ohne medizinische Notwendigkeit – und steigende Kosten.
Schon unter dem Titel „Ambulante Behandlung im Krankenhaus“ sorgte § 116b SGB V bei niedergelassenen Fachärzten für Verdruss, weil er bei der politisch gewoll­ten Konkurrenz die völlig ungleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen Klinik und Praxis ignorierte (vgl. gynäkologie + geburtshilfe 1/2011, S. 39). Im Kabinettsentwurf des neuen GKV­Versorgungsstrukturgesetzes firmiert der § 116b jetzt unter dem neuen Titel „Ambulante spezialärztliche Versorgung“. Die geänderte Etikettierung ändert nichts am Grundproblem. Der angestoßene Verdrängungswettbewerb im ambulanten Bereich geht weiter zulasten niedergelassener Fachärzte und damit direkt zulasten der Patienten. Der Bundesrat schlägt nun vor, die Neufassung von § 116b aus dem Strukturversorgungsgesetz herauszunehmen und nach Abstimmung mit den Ländern erst ein Jahr später zum Anfang 2013 in Kraft treten zu lassen.
Natürlich sind für Diagnose und Behandlung seltener oder schwer behandel­barer Erkrankungen interdisziplinäre Kooperation, hochqualifizierte Spezialisten und eine entsprechende medizinische Infrastruktur notwendig. Aber dafür bedarf es keiner neuen Versorgungsebene, sondern einer besseren Verzahnung der vorhandenen ambulanten und stationären Ressourcen. Die Liste der Erkrankungen, für die der § 116b den Kliniken das Tor zur ambulanten Behandlung geöffnet hat, ist im neuen Entwurf, der zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, bereits deutlich länger. Und es ist davon auszugehen, dass sie noch umfangreicher wird, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bis Ende 2012 die enthaltenen Regelungen zur spezialärztlichen Versorgung konkretisiert haben wird. Es ist zu erwarten, dass zunehmend mehr ambulante Behandlungen in die Krankenhäuser verlagert werden, da der niedergelassene, freiberuflich tätige Facharzt angesichts der ungleichen Wettbewerbsbedingungen gegen die großteils subventionierte Konkurrenz der Kliniken kaum bestehen kann. Selbst eine Überweisungserfordernis durch den Facharzt wird im Gesetz nicht festgeschrieben, sondern vom GBA indikationsbezogen bestimmt.
Statt die medizinische Versorgunglandschaft durch Einrichtung einer weiteren Versorgungsebene noch nicht absehbaren Risiken auszusetzen, sollte eher auf eine verbesserte Kooperation von ambulantem und stationärem Sektor gesetzt werden.
Die nötigen Ressourcen sind alle vorhanden. In einer engeren sektorübergreifenden Kooperation liegen Effizienzreserven, die über die Kostenersparnis hinausgehen.
Die Zeit bis zur Beschlussfassung im Bundestag will die GenoGyn nutzen, um weiterhin auf eine patientenorientierte Umsetzung des Gesetzes und einen Verzicht auf die Einrichtung einer eigenständigen ambulanten spezialärztlichen Versorgungsebene zu drängen.

Back