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Hormonersatztherapie - Comeback der HRT nach zehn Jahren Verunsicherung

Mehr körperliche Aktivität, weniger Osteoporose und weniger KHK dank Hormonersatz – ist die Rechnung doch so einfach?

„Renaissance der Hormonersatz-Therapie“ so lautet das Motto der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Menopause-Gesellschaft (DMG) im November. Im Einladungs-Flyer begründet DMG-Präsident Prof. Alfred Mueck die Wahl des Leitspruchs mit der sehr positiven Endauswertung der WHI-Studie – genau der Studie, die zuvor so viel Verwirrung gestiftet hatte.

Die größten, häufigsten und teuersten Morbiditäts- und Mortalitätsprobleme sind bei uns wie in anderen OECD-Staaten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Ansatz, das Risiko für Zivilisationskrankheiten wie die koronare Herzkrankheit (KHK) via Hormonsubstitution zu reduzieren, wurde vielfach kritisiert. Denn vor allem Frauen mit höherem Sozialstatus/Bildungsniveau nutzten die Hormonersatztherapie (HRT). Seit 2011 sind nun aber die Ergebnisse der „California Teachers Study“ [1] bekannt: In einem relativ homogenen Kollektiv bezogen auf Sozialstatus, Bildungsniveau und ökonomischen Status war die KHK-Mortalität bei den Frauen mit HRT nur halb so groß wie bei den Frauen ohne HRT.

Das Problem für die gynäkologische Praxis sind die S-3-Leitlinien, die eine kardiovaskuläre Protektion mittels HRT jedoch weiterhin als nicht erwiesen darstellen. Die Überarbeitung hätte nach zwei Jahren bis Ende 2011 erfolgen sollen. Das unterblieb aber, da die 19 daran beteiligten Gesellschaften (nur zwei mit gynäkologischer Hormonkompetenz) nicht zu einer realitätsbezogenen S-3-Leitlinie gekommen wären. Wie stark die Verunsicherung bezüglich der HRT weiterhin ist, offenbart eine Umfrage zur HRT bei niedergelassenen Frauenärzten Ende 2010 (Erhebungsbogen an 9.589 Frauenärzte versandt, Rücklaufquote 26,6 %. Nach Auswertungen erster Ergebnisse (weitere Publikationen werden folgen) zeigte sich: 82% der Frauenärzte halten klimakterische Beschwerden für therapiebedürftig, aber nur 9% stuften die HRT diesbezüglich auf Platz 1 ein.

Dabei sprachen sich die Kollegen unter 40 Jahre mit 7% nur halb so oft für die HRT als First-Line-Therapie klimakterischer Beschwerden aus als Kollegen mit 60 Jahren und älter (15%). Der lineare Bezug von Alter und Zustimmung zur HRT entspricht eigenen Erfahrungen als HRT-Fortbildungsreferent: Ältere Kollegen dominieren eindeutig als Zuhörer und die wenigen, jüngeren stellen Fragen, die für Weiterbildungsdefizite hinsichtlich HRT sprechen. Diejenigen, die sich in der Umfrage als endokrinologisch fortgebildet einstuften, waren zu 15% für die HRT als First-Line-Therapie. Für eine Altersbegrenzung der HRT sprachen sich 26% (63 ± 5 Jahre).
Die Publikationen zu den WHI-Daten verfolgten 37% (Kollegen: 44%, Kolleginnen 33%) der an der Umfrage beteiligten Ärzte aufmerksam und 82% der Ärzte mit endokrinologischen Schwerpunkt. „Leichte“ Verunsicherung bezogen auf die HRT gaben 42% der Befragten an, 34% fühlten sich nicht verunsichert. Infolge der WHI-Erstpublikation 2002 registrierten 80% bei ihren Patientinnen eine zunehmende Verunsicherung durch kritische Medienberichte.

Nur bei 15% der Patientinnen zeigten sich nach Einschätzung der Frauenärzte keine Unterschiede zur HRT-Bewertung vor und nach der WHI-Publikation. 44% der Kollegenschaft stufte ihre Patientinnen als schlecht informiert über die HRT ein, 45% seien moderat informiert, nur 10% recht gut.

Kollegen mit Hormonschwerpunkt beobachteten bei ihren Patientinnen von 2002–2010 einen geringeren Rückgang an HRT-Verordnungen als die übrigen Kollegen (65 vs. 73%). Kollegen ohne Zweifel am HRT-Nutzen registrierten nur 63% Verordnungsrückgang. Das war zu erwarten, denn bei der HRT-Beratung ist auch die nonverbale Kommunikation bedeutsam: Die Frauen registrieren sehr schnell wie der Frauenarzt selbst zur HRT steht.

Zur gynäkologischen Sicherheit der HRT gibt die Erhebung eine bemerkenswerte Information. Auf die Frage nach dem Verordnungsverhalten ab 2002 gaben den Wechsel zu mehr transdermalen Präparaten 84% der unter 40-jährigen Kollegen und 27% der 60-Jährigen und älteren an. Dieser Altersbezug bei transdermaler versus oraler Empfehlung/Verordnung kann kaum mit Risikoaspekten begründet werden. Die jüngeren Praxiskollegen, die erst ein Patientenkollektiv „erwerben“ müssen, haben in der Regel jüngere Patientinnen als ältere Kollegen mit langjährigem „Patientenstamm“.
Unter letzteren gibt es zweifelsohne mit den Jahren mehr altersbedingte Risiko-Konstellationen, die für die Umstellung von oraler auf transdermale HRT sprechen. Wenn die jüngere Kollegenschaft um den Faktor 3 mehr transdermal als oral in den WHI-Folgejahren verordnete, so spricht das nicht für mehr Risiko-Patientinnen, die jüngere Kollegen betreuen, sondern für deren Sicherheitsbedürfnis. Erinnert sei daran, dass die verunsichernden klinischen WHI-Ereignisse für die 70–79-Jährigen bei HRT-Start zutrafen – bei viel zu hohen Dosierungen und Abbrecherquoten über 40% als Folge. In Absolutzahlen handelte es sich bei den WHI-Ergebnissen insgesamt um Ereignisse im Promillebereich.

Ultra-low-Dose-HRT als Regel?
Eine beeindruckende Arbeit fasst Aspekte der HRT-Dosierung zusammen, die klinisch diskutiert werden. Da nach der S-3-Leitlinie vasomotorische Beschwerden die Erstindikation für eine peri- und postmenopausale HRT darstellen, ist deren Beseitigung primär maßgeblich für die Östrogen-Dosierung. Denn Lebensqualität wie in den Jahren vor der Menopause ist in der Regel das Therapieziel und der Wunsch der ratsuchenden Frauen.

Bei gesunden Frauen um die Menopause sind bei einer Dosis von 2 mg Estradiol (E2) oral keine Probleme zu erwarten, und individuell abgestimmt ist nach mehreren Monaten die halbe Dosis, also 1 mg E2 (low-dose), ein pragmatischer Weg. Wird primär mit ultra-low-dose, also mit 0,5 mg E2, begonnen, so sind in den ersten Wochen jene enttäuscht, die keine bestmögliche Beschwerdelinderung erfuhren. Analoges gilt für transdermales E2 (50 ng – 25 ng – 14 ng; nur in den USA erhältlich). In der gynäkologischen Praxis zählt also die Effektivität, das heißt die HRT-Wirksamkeit, und nicht wie in Studien die Morbidität und Mortalität (Risiko im Promillebereich) ohne Berücksichtigung der Lebensqualität.
Dazu sei die FDA-Studienempfehlung angeführt, die jedoch praxisfern ist. HRT sei danach nur vertretbar, wenn mindestens täglich sieben bis acht bzw. wöchentlich 50–60 moderate bis schwere vasomotorische Beschwerden auftreten. Welch eine Bevormundung von Frauen – soll auch Schmerztherapie erst ab einer gewissen Intensität gewährt werden?
Eine andere FDA-Vorgabe ist dagegen nachvollziehbar: Mehr als 1% an Endometrium-Hyperplasien sollten nicht auftreten, was derzeitige Gestagenzusätze gewährleisten. Die FDA-Vorgaben zu vasomotorischen Symptomen (VMS) bedürfen wie die S-3-Empfehlungen zu VMS im Hinblick auf KHK der Revision. Die WHI-Langzeitbeobachtungen (WHI-OS/Observational-Study) an 60.027 Frauen ergaben wesentlich differenziertere Aussagen [4].

Frauen, die nur zu Beginn der Menopause an VMS litten, entwickelten seltener KHK im Kontrollgruppenvergleich. Frauen mit später auftretenden VMS hatten ein deutlich höheres KHK-Risiko (RR 1,32) und eine höhere Gesamtmortalität (RR 1,29). Frauen, die kontinuierlich an VMS litten, hatten kein erhöhtes KHK-Risiko. Damit stellt sich die Frage, ob Frauen ohne VMS, die direkt nach der Menopause wegen einer HRT aus Präventionsgründen beim Frauenarzt vorstellig werden, S-3-konform abgelehnt werden sollten – nach WHI-OS ein Fehler.
Bei erst spät auftretenden VMS mit deutlich höheren Risiken wäre es nicht evidenzbasiert, von HRT abzuraten, da VMS früher oder später nachlassen würden. Nach WHI-OS haben Frauen, die gleich zu Beginn der Menopause an VMS leiden – und dies kontinuierlich über viele Jahre – kein KHK-Risiko. Da aber mit Eintreten der Menopause zur Dauer von VMS keine prognostischen Aussagen möglich sind, wäre nach den WHI-OS-Daten bei allen Frauen mit HRT-Interesse die Substitution zu empfehlen.
Dieser Exkurs soll verdeutlichen, dass die Diskussion um „standard-low-dose“ und „ultra-low-dose“ eher sekundär ist. Sie ist berechtigt bei schwerwiegenden internistischen Erkrankungen, hohem Nikotinkonsum und ausgeprägter Adipositas mit beginnendem metabolischen Syndrom. Solche Frauen erhalten in der Regel aber ohnehin keine HRT, da sie durch behandelnde Allgemeinärzte und Internisten abgesetzt wird. Nimmt der Frauenarzt mit diesen Kollegen vertrauensvollen Kontakt auf (allein schon zum Einstufen der Morbidität hinsichtlich HRT-Risiken), dann wird selbstverständlich mit einer Low-Dose-HRT begonnen und diese je nach Beschwerden reduziert auf ultra-low-dose.

Bei 45–55-Jährigen hat nur eine relativ kleine Gruppe hohe Risiken im Hinblick auf eine HRT. Das Umfrageergebnis von 84% Umstellung auf transdermale HRT in Praxen von unter 40-jährigen Kollegen entspricht nicht der klinischen Realität. Diese Kollegengruppe verkennt eventuell, dass eine orale HRT ein ausgezeichneter Lipidsenker ist – vergleichbar mit Statinen. Letztere erhöhen das Diabetes-Risiko bei postmenopausalen Frauen um ca. 50% [5], die HRT reduzierte das Diabetes-Risiko laut WHI um ein Drittel [4].

Mit Erlöschen der Ovarialfunktion kommt es bei vielen Frauen durch ein Drittel weniger Grundumsatz erstmalig zu Adipositas. Immer mehr Muskelzellen werden durch Fettzellen ersetzt. Hinzu kommt eine Insulin-Resistenz mit reaktiver Hyperinsulinämie, die Hungergefühle auslöst (und so die Kalorienzufuhr erhöht). Die damit einhergehende Adipositas-Entwicklung erhöht deutlich das Brustkrebsrisiko [6].
Mit rechtzeitiger HRT können viele Frauen diesem Circulus vitiosus entgehen. Diese Zusammenhänge erklären das eingangs aufgeführte geringere Brustkrebsrisiko unter Östrogen-Substitution. GKV-Daten bestätigen diese These: ein Drittel weniger Brustkrebs-Diagnosen bei HRT-Nutzerinnen [6].

HRT-Kompetenz braucht Querdenker
In der genannten Umfrage bei Frauenärzten waren ihre HRT-Indikationsstellungen mitbestimmt von einer Osteoporose-Prävention – bei 82 % im Jahr 2002, aber nur noch von 51% im Jahr 2010. In diesen acht Jahren haben sich an den Erkenntnissen zu Pathomechanismen der Osteoporose nichts geändert. Der Kollagenverlust von 3% und mehr in den ersten Jahren nach der Menopause und von 1% in der Folgezeit macht das eigentliche Fraktur-Risiko aus, welches durch Kalziumgaben nicht reduziert werden kann, wenn nicht gleichzeitig auch ausreichend Vitamin D synthetisiert wird. Letzteres setzt aber voraus, dass möglichst wenig altersbedingte Hautprobleme auftreten, was wiederum durch eine Östrogen-Substitution vermeidbar wäre [7]. Mobilität bzw. die tägliche Aktivität im Freien ist ohne Osteoporose-Beschwerden besser machbar.

In den S-3-Leitlinien zur HRT wird zur Osteoporose-Prävention auf Alternativen verwiesen, die es für Osteoporose ab der Menopause nicht gibt. Diesbezüglich ist die FDA in den USA fortschrittlich, sie hat ein Östrogenpflaster (Menostar®) mit Abgabe von 14 µg E2/Tag (ohne Gestagen-zusatz) zugelassen. Diese Ultra-low-Dose-HRT hätten auch bei uns viele ältere Frauen mit Multimorbidität nötig, wenn ihre Medikamente dem Knochenmetabolismus schaden bzw. das Osteoporose-Risiko erhöhen. Zur Alternative Bisphosphonate: Eine große, kanadische Kohortenstudie bei Frauen ≥ 68 Jahren (n = 205.000) stellte unter Bisphosphonat-Einnahme über fünf Jahre und länger ein erhöhtes Risiko für untypische Oberschenkelhals-Frakturen durch unterdrückte Re-Modellierung des Knochengewebes fest [9]. Die Autoren warnen daher vor längerer Bisphosphanat-Einnahme. Die seit der Verunsicherung durch die WHI-Daten häufiger eingesetzen Soja-/Isoflavon-Präparate bringen jedoch keinen Nutzen für postmenopausale Knochen [10].
Bei der Knochengesundheit bzw. hormonellen Osteoporose-Prävention ist für Querdenker die hormonelle Neuroprotektion biologisch plausibel. Kognitionsminderung, Schwindelgefühle sowie ein schlechteres Hör- und Sehvermögen nach der Menopause bedeuten ein höheres Sturzrisiko. Auch sind eine halbe Million Frauen von Demenz betroffen – und in den nächsten 20 Jahren wird eine Verdopplung der Inzidenz erwartet.
Dazu Umfrage-Ergebnisse: 2002 war noch für 42% der Kollegenschaft die hormonelle Neuroprotektion eine HRT-Co-Indikation, 2010 aber nur noch für 27%. Das überrascht, da Demenz- und Alzheimer-Prävention (bzw. deren spätere Manifestation) effizienter durch ausreichende körperliche Aktivitäten gelingt als durch Medikation nichthormoneller Art. Sport (ausreichend sind zügiges Gehen und Schwimmen) kann geistigem Abbau entgegenwirken. Eine US-Studie zeigte darunter sogar eine verbesserte Kognition nach sechs Monaten Intensiv-Training (4–6 mal pro Woche 45–60 Minuten Laufband oder Ergometer) [1112]. Das jedoch ist mit Osteoporose-Beschwerden kaum möglich.
Bei der Pressekonferenz des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Wiesbaden 2011 wurde ausführlich erklärt, dass Gefäßschutz wesentlich zur Demenz-Prävention beiträgt. Hormoneller kardiovaskulärer Schutz mit Mortalitätsminderung bis um die Hälfte ist ebenso empirisch gesichert wie ein Drittel weniger Diabetes-Neuerkrankungen (Effekt in allen großen HRT-Studien). Diabetes mit seinen Gefäßschädigungen schadet auch dem Gehirn. Klarheit über die Pathomechanismen von Alzheimer besteht im Übrigen weiter nicht und damit ist auch kein Therapiedurchbruch zu erwarten [13] – das ist auch die Einstufung des IQWiG.
Damit ist das Thema körperliche Aktivität zur Neuroprotektion aktueller denn je – Voraussetzung dabei: Es liegen keine Osteoporose-Beschwerden vor und das Herz-Kreislauf-System ist intakt. Longitudinale Kohortenstudien zeigten unter körperlicher Aktivität einen um 30–50% geringeren kognitiven Abbau bzw. dessen Verzögerungen um 3 bis 5 Jahre [1112].
Hormoneller KHK-Schutz wurde bei der Umfrage 2010 nur noch von 14 % als HRT-Co-Indikation eingestuft, 2002 waren es noch 37%. Nun liegen aber wie eingangs erwähnt die Ergebnisse der „California Teachers Study“ vor [1], die einen Herz-Kreislauf-Benefit für HRT-Nutzerinnen belegen. Frühere Studien zeigten bei 50–70-Jährigen unter HRT eine reduzierte Gesamtmortalität um ein Drittel bis zur Hälfte im Vergleich zu Nicht-Nutzerinnen. Über die Wirkmechanismen ist viel bekannt. So sind Östrogene die effektivsten körpereigenen Gefäßdilatatoren; sie schützen ab der Menopause vor Insulin-Resistenz und damit vor Diabetes. Beides kommt auch dem Gehirn zugute. Die Demenz-Forschung klärt derzeit, wie lange täglich und wie häufig pro Woche welche sportliche Aktivität (aerob oder anaerob) kognitive Fähigkeiten fördern und erhalten kann. Welche Frauen von einer HRT profitieren, lässt sich bei HRT-Start nicht vorhersagen. Aber eine bessere Lebensqualität ist in jedem Fall erreichbar.
Die Quintessenz aus obigen Ausführungen: Die Anwender-orientierte hormonelle Kompetenz setzt ein Querdenken voraus, das für isoliert betrachtete Leitlinien und prospektiv randomisierte Studien zu komplex ist.

HRT nur noch niedrigdosiert verordnen?
Der bisherige Benefit einer HRT bezieht sich auf Standard-Dosierungen. Für die niedrigdosierte Anwendung steht zum Teil der Wirksamkeitsnachweis anhand großer Studien objektiviert aus. Das gilt auch für die transdermale HRT in Langzeitstudien hinsichtlich ihrer lipidsenkenden Effekte im Vergleich zu Statinen. Orale Östrogene mit primärer Leberpassage haben die gleiche Effizienz und trotzdem sollte zum Beispiel bei einem VTE-Risiko nur transdermal substituiert werden.
Bei gesunden Frauen ist der richtige Zeitpunkt für den HRT-Beginn (Window of Opportunity) klinisch noch relevanter als die Dosierung und Applikationsart. Innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Menopause ist im Hinblick auf die Osteoporose-Prävention eine positive Nutzenbilanz erreichbar bei. Zur Neuroprotektion sind wahrscheinlich die ersten zwei Jahre nach der Menopause der geeignete HRT-Start.

Apoplex und Hormone [14]
Frauen, die direkt nach der Menopause mit einer Östrogen-Substitution beginnen, sollten ein möglichst gefäßneutrales niedrig dosiertes Gestagen bekommen, bei Frauen mit grenzwertigen Blutdruckwerten wird heute transdermal substituiert.
Natürlich muss der Lebensstil auch gesundheitsorientiert sein – schon vor der Menopause. Dazu US-Daten bei Schwangeren: In 15 Jahren nahm das Risiko für Apoplex-Ereignisse mit Hospitalisierung als Folge um 47% zu (von 15 auf 22 pro 100.000) und postpartal um 83 % (von 12 auf 22 pro 100.000), im postpartalen „Hormontief“ hatte die Hälfte dieser FrauenBluthochdruck. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass nicht die um den Faktor 40 höheren Hormonwerte in der Schwangerschaft, sondern ein ungesunder Lebensstil für das Risiko dieser Frauengruppe verantwortlich sei. Bei intaktem Gefäßsystem bestehe kein höheres Apoplexrisiko – ausgenommen bei Migräne-Anamnese und visueller Aura.
HRT soll keine Apoplex-Mortalität bedingen, die ohne HRT doppelt so hoch liegt wie die Brustkrebsmortalität. Die Inzidenz primär ischämischer Apoplex-Formen liegt bei ca. 2 je 1.000 Einwohner. Mit Hirnblutung ist die Inzidenz um den Faktor 10 geringer und macht 8% der Gesamtmortalität aus. Diese Aspekte sind für die HRT-Beratung nützlich, wie auch Folgendes. Das zusätzliche Apoplexrisiko durch die Pille beträgt 4 je 100.000, durch Schwangerschaft 20 je 100.000, durch HRT (WHI) 70 je 100.000 (nur orale HRT bei nicht gesundem Kollektiv) und nach einer US-Studie bei 50–60-Jährigen unter HRT bei 10–20 je 100.000. Dieses Risiko ist durch transdermale Applikation halbierbar (bei Frauen bis 70 Jahren mit venösen Risiken zu empfehlen). Nach dem 70. Lebensjahr wird eine Risikoabschätzung schwierig. Interessant ist die Nach-Analyse der WHI-Daten, die unter HRT kein erhöhtes Apoplexrisiko im Placebo-Vergleich ergab. Das bestätigten vier darauffolgende Beobachtungsstudien.
Auch ein Apoplex-Ereignis mehr bezogen auf 10.000 Frauen ist individuell tragisch. Daher hat eine individuelle Entscheidung bezüglich Dosierung und Art höchste Priorität. Aber es gibt keine Evidenz, die eine generelle Furcht vor Apoplex infolge einer HRT rechtfertigt.

Fazit
Im Interesse von 10 Millionen Frauen ist die Renaissance der Hormonsubstitution ab der Menopause evidenzbasiert zu fördern. Hormonelle Prävention ist auch ökonomisch sinnvoll, da in Deutschland – wie in fast allen OECD-Ländern – die Gesundheitsausgaben stärker steigen als die Wirtschaftsleistung. Die WHI-Erstpublikation 2002 setzte eine unglückliche Entwicklung in Gang: Die Nutzung der HRT fiel von über 40% auf unter 10%. Die WHI-Nachbeobachtungsdaten bestätigen nun den HRT-Benefit, der vor 2002 als belegt galt und der über 40 Jahre bekannt war.
Heute ist HRT durch die transdermale Applikation und verschiedene Dosierungen noch sicherer geworden – die HRT ist damit jeder Risikokonstellation anpassbar. Die Einzelfallentscheidung, welche HRT-Art für welche Frau die geeignete ist, gelingt nur auf Basis hormoneller Kompetenz bei den Kollegen. Diese ist in der Weiterbildung zum Frauenarzt nicht leicht zu erwerben. Die Jahrestagungen der DMG können das nur bedingt ausgleichen, wollen aber Mut zur kontinuierlichen HRT-Fortbildung machen.

Zeitschrift: gynäkologie + geburtshilfe 2012/3
publiziert am: 10.7.2012 11:00 Autor: Prof. Dr. med. Dipl. Psych. J. Matthias Wenderlein Quelle: 

 

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