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Versorgungsstrukturen: Reformer wollen anpacken

Deutsches Ärzteblatt, 17. Mai 2013

Reformideen für das deutsche Gesundheitswesen stellten gut vier Monate vor der Bundestagswahl Experten in Kooperation mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung vor.

Anpacken heißt die Devise nach der Wahl im September – aber an den richtigen Stellen: Wenn Versicherte und Patienten als Akteure wirklich in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt werden, kommen wir ganz schnell zu anderen Versorgungsstrukturen“, sagte kürzlich Dr. Christopher Hermann, Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, mit Blick auf das deutsche Gesundheitswesen. Hermann gehört zu jenen Vordenkern, die bereits seit knapp einem Jahr gemeinsam mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung Reformideen für künftige Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen erarbeiten.

Eine einheitliche Vergütungsordnung für Ärzte, eine Stärkung der primär- und hausärztlichen Versorgung sowie die Förderung von Selektivverträgen – das sind die Hauptthesen ihrer Überlegungen und auch die Kernpunkte ihres Positionspapiers „Wettbewerb, Sicherstellung, Honorierung“. Verfasst haben es (neben Hermann) 16 weitere Autoren, die aus dem Gesundheitswesen stammen, darunter der frühere Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Prof. Dr. med. Eckhard Fiedler (jetzt Universität Köln), und der ehemalige Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, Franz Knieps. Gemeinsam stellten sie das Papier am 2. Mai in Berlin der Öffentlichkeit vor.

Drei zentrale Schwachstellen
„Das deutsche Gesundheitswesen weist drei zentrale Schwachstellen auf, die eine Reform der Versorgung erforderlich machen“, analysierte Fiedler. An die erste Stelle setzte er die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Diese sei nicht sinnvoll und widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung, indem sie gesetzlich Versicherte diskriminiere. Die Konkurrenz der ärztlichen Gebührenordnungen Einheitlicher Bewertungsmaßstab und der Gebührenordnung für Ärzte habe zudem zu Fehlanreizen geführt. Nötig sei deshalb eine einheitliche Gebührenordnung nach der Devise „Gleicher Preis für gleiche Leistung“.

„Für die Einführung einer neuen einheitlichen ambulanten ärztlichen Gebührenordnung ist die Zeit schon seit Jahren reif“, betonte Fiedler bei der Präsentation des Positionspapiers. Als deren Basis schlagen die Autoren morbiditätsbasierte Pauschalen kombiniert mit Qualitätssicherungsmaßnahmen und qualitätsbezogenen Vergütungsanteilen (Payfor-Performance) vor.

Als zweite Schwachstelle im Gesundheitswesen wies Fiedler die Trennung zwischen ambulanter und stationärer sowie kurativer und rehabilitativer Versorgung aus. So werde man dem medizinischen Fortschritt und der demografischen Entwicklung nicht mehr gerecht. Drittens existiere kein funktionierendes Wettbewerbskonzept, kritisierte er. Besonders mangele es an einer flächendeckenden Sicherung der hausärztlichen Versorgung.

Um die skizzierten Schwachstellen zu beheben, sprechen sich die Autoren des Papiers für eine Förderung integrierter Versorgungsformen und einen Ausbau der hausarztzentrierten Versorgung aus. „Die Bedarfsplanung der medizinischen Versorgung muss sektorenübergreifend gestaltet werden und unter Maßgabe eines bundeseinheitlichen Rahmens in der Letztverantwortung der Länder liegen“, heißt es in dem Papier. Die Selbstverwaltung sei bisher nicht in der Lage gewesen, die aktuellen Versorgungsdisparitäten zu lösen. „Wir wollen nicht die Kassenärztlichen Vereinigungen abschaffen“, erklärte Mitautor Franz Knieps. „Aber die Versorgung sollte über eine Kombination von Kollektiv- und Selektivverträgen gewährleistet werden.“ Dabei sei der rechtliche Rahmen so auszugestalten, dass Kollektiv- und Selektivverträge gleichrangig nebeneinanderstehen. Die Selektivverträge sollen dabei künftig konsequent als wettbewerbliche Versorgungsform ausgestaltet werden, aber auch verbindliche Vereinbarungen zu Qualitätsstandards, Sanktionen bei deren Nichteinhaltung und zur Evaluierung der Verträge enthalten.

Zu stark auf Ärzte fixiert
Eine weitere Herausforderung stellt den Autoren zufolge die Aus- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen dar. „Das deutsche Gesundheitssystem ist zu stark auf Ärzte fixiert“, meinte Knieps. Dies sei vor allem in der Primärversorgung problematisch. Andere Gesundheitsfachberufe müssten gefördert und zugleich die Position der Hausärztinnen und -ärzte als Lotsen im Gesundheitswesen gestärkt werden.

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