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Rahmenvorgaben für Praxisnetze: Anerkennung für Teamworker

Ärztezeitung, 26. April 2013

Die Akkreditierungsregeln für Netze liegen vor. Die Umsetzungsarbeit für Kassenärztliche Vereinigungen und routinierte Netzwerker kann nun beginnen.

Eigentlich sollte sie am 1. April in Kraft treten: die Rahmenvorgabe für die Anerkennung von Praxisnetzen. Doch weil die Abstimmung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband über den Kriterienkatalog noch etwas Zeit brauchte, gilt sie nun ab 1. Mai, dem Tag der Arbeit. Dieses Datum bestätigten der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. med. Andreas Köhler, und Dr. Manfred Partsch, Leiter der Abteilung ambulante Versorgung beim GKV-Spitzenverband, Mitte April auf der diesjährigen KBV-Versorgungsmesse in Berlin, die erneut auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) besuchte.

Die Ankündigung dort passte gut. Im Mittelpunkt der Fachforen und Podiumsdiskussionen standen Anreizmodelle kooperativer Versorgung im ambulanten Bereich. Köhler und Partsch zeigten sich zufrieden, dass sie mit der Rahmenvorgabe eine Art Blaupause für die Identifizierung versorgungsorientierter Praxisnetze geliefert haben.

Gefordert ist ein Berufemix
Danach muss ein anerkanntes Netz unter anderem aus 20 bis 100 vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Praxen bestehen, in denen neben hausärztlich tätigen Ärztinnen und Ärzten noch mindestens zwei weitere Fachgruppen vertreten sind (siehe auch Kasten). Das Netz muss zudem bereits drei Jahre bestehen und mit mindestens einem nichtärztlichen oder stationären Leistungserbringer kooperieren. Die geforderte Unabhängigkeit schließt von der Pharmaindustrie geförderte Netze aus, die geforderten Managementstrukturen zudem Netze ohne eigene Geschäftsstelle und Koordinator zur Umsetzung der Vorgaben. Belegt werden muss auch, dass die kooperierenden Ärzte bestimmte Versorgungsziele anstreben. Hierfür gibt es verschiedene Stufen der Anerkennung.*

Lob für die Versorgungsmesse: „Ja, ich habe sehr interessante Projekte gesehen“, befand Daniel Bahr nach seinem Rundgang über die Messe.

Dass die Rahmenvorgabe zum Tag der Arbeit in Kraft treten wird, ist stimmig. Denn damit kommt Arbeit auf die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zu, die die Vorgabe umsetzen, und auf die Netze, die sich akkreditieren wollen. Letzteres hatte der zuständige KBV-Dezernent, Dr. med. Bernhard Gibis, bereits im Februar bei einem Workshop der Agentur deutscher Arztnetze betont. Mittlerweile gebe es „eine kritische Masse an Netzen, von denen wir glauben, dass sie im Kollektivvertrag gefördert werden sollen“, sagte Gibis. Doch auch etablierte Netze würden angesichts der Rahmenvorgabe wahrscheinlich „noch am einen oder anderen Punkt arbeiten müssen“.

Kein zusätzliches Geld
Die Verpflichtung, Kriterien für anzuerkennende Praxisnetze vorzulegen, ergibt sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) V. Darin heißt es in § 87 b (ärztliche Honorarverteilung), KBV und GKV-Spitzenverband müssten sich über „Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze“ einigen. Für solche Netze könnten dann im Sinne der kooperativen Behandlung von Patienten „auch gesonderte Vergütungsregelungen . . . als Teil der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung . . . vorgesehen werden“.

Was das bedeutet, formulierte Gibis beim Workshop knapp: „Es gibt kein neues Geld dafür.“ In den KVen wird deshalb nicht nur diskutiert, wie man die Rahmenvorgabe umsetzt, sondern auch, woher das Geld zur Förderung der anerkannten Netze kommen soll. Es aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung abzuzweigen, gilt als schwierig. Die meisten Ärztinnen und Ärzte lehnten dies ab, weil sich dann ihr Honorar verringere, war während der Versorgungsmesse immer wieder zu hören. Sie erwarteten eher ergänzende Abmachungen zum Kollektivvertrag, sogenannte Add-on-Verträge, für Netze, damit deren Leistungen von den Kassen extrabudgetär vergütet würden.

Diesen Vorschlag wiederum beurteilen viele Krankenkassen kritisch. Partsch als Vertreter des GKV-Spitzenverbands machte klar, dass es dann einen Mehrwert für die Versorgung geben müsse: Nur für ein Netz als solches würden die Krankenkassen kein Geld ausgeben. Dr. med. Veit Wambach, Vorstandsvorsitzender der Agentur deutscher Arztnetze, ist überzeugt, dass man in Zukunft Lösungen finden wird, die keinen Unfrieden stiften. „Die Zeit des Abwartens ist vorbei. Jetzt ist es Aufgabe der KVen, die Netze entsprechend der Kriterien anzuerkennen und geeignete Wege zur Förderung zu finden“, betonte er anlässlich der Einigung über die Rahmenvorgabe. Denkbar sei zum Beispiel, nur die Honoraranteile von Netzärztinnen und -ärzten auszulagern und die Verteilung dem Netz zu überlassen.

Die Agentur ist überzeugt, dass das Interesse der KVen am Thema Netze trotz solcher schwierigen Honorarfragen groß ist. Das belegten die Antworten, die diese im Rahmen einer Umfrage Anfang des Jahres gaben. Generell bejahten die Förderung damals bereits zehn von 17 KVen. Zu ihnen zählt die KV Niedersachsen. „Wir wollen Netze begleiten und beraten“, begründete der Vorstandsvorsitzende, Mark Barjenbruch, beim Agentur-Workshop das Vorgehen. Dazu zählt für ihn, die Kooperationen fit für Verträge zu machen und sie bei der Vertragsumsetzung zu begleiten.

Förderprogramme der KVen
Einen automatischen Anspruch auf Honoraranteile gebe es für Netze aber nicht, stellte Barjenbruch klar: „Langfristiges Ziel muss sein, dass wir zusätzliches Geld von den Krankenkassen generieren.“ Allerdings kündigte der KV-Vorstand kurzfristig finanzielle Unterstützung an. Man wolle rund eine Million Euro für die Förderung von bestehenden wie in Gründung befindlichen Netzen ausgeben, maximal 50 000 Euro pro Netz. Barjenbruch bestätigte aber, dass die KV dafür Gegenleistungen verlange: Sie lasse sich zusichern, dass ein Praxisnetz sie an späteren Versorgungsverträgen mit Kostenträgern beteilige, soweit das gesetzlich möglich sei, und dass es vertrauensvoll mit ihr zusammenarbeite.

Die KV Schleswig-Holstein begleite Netze im Land schon seit 1997, hob Ekkehard Becker, Leiter der Geschäftsstelle Operative Prozesse, hervor. Mittlerweile gibt es im Norden etwa 1 600 Netzärzte und -psychotherapeuten, im Vorstand und in der Abgeordnetenversammlung sind sie in der Mehrheit. Geld für Praxisnetze werde es aus dem allgemeinen Honorartopf aber nicht geben, stellte Becker klar. Zwar steht im Honorarverteilungsmaßstab seit April 2012 die Formulierung: „Der Vorstand kann gesonderte Vergütungsregelungen für Praxisnetze gemäß § 87 b Absatz 2 SGB V bestimmen.“ Doch vorgesehen ist, akkreditierte Netze aus dem Sicherstellungsfonds zu fördern. Überlegt wird, sie später unter Sicherstellungsaspekten und zur Übertragung von Versorgungsaufgaben in den Bedarfsplan aufzunehmen.

Über ihre Pläne berichteten beim Workshop zudem Vertreter der KVen Brandenburg, Westfalen-Lippe und Bayerns (www.deutsche-aerztenetze.de). Dabei ging es auch um Grundsätzliches. So forderte Fabian Demmelhuber, Leiter des Referats Versorgungskonzepte & Zusatzverträge der KV Bayerns: „Ärzten sollte es freigestellt sein, ob sie sich in Netzen engagieren oder nicht.“ Es bestehe die Gefahr, dass die Kriterien, die Netze erfüllten, am Ende von den Krankenkassen als Standard für die gesamte Versorgung angesehen würden. Auch diese Debatte wird weitergehen. Zur KBV-Versorgungsmesse hatte Partsch als Vertreter des GKV-Spitzenverbands bereits angemerkt, dass man das, was man nun von akkreditierungswilligen Netzen erwarte, eigentlich grundsätzlich von der Versorgung verlangen dürfe.

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