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Der Hürdenlauf zur Netzsoftware

Blick in vier Ärztenetze

Gerade in ländlichen Regionen wird das Thema IT-Vernetzung für Ärzte immer wichtiger, wollen sie die Versorgung der Patienten aufrecht erhalten. Vier Ärztenetze erlauben den Schulterblick und zeigen, welche Schritte zur funktionierenden Netzsoftware führen.

Es ist nicht nur der drohende Ärztemangel, der das Thema IT-Vernetzung von Praxen und Kliniken wieder mehr in den Fokus rückt. Ein schnellerer Datenaustausch kann die Versorgung der Patienten verbessern und helfen, Fehler zu vermeiden.
Und auch in die Frage, wie sich das Arzthonorar steigern lässt, fließt die Vernetzung mit ein - dann nämlich, wenn es darum geht, im Ärzteverbund mit Kliniken eigene Versorgungsverträge abzuschließen.
Nur, bis eine funktionierende Netzsoftware steht, sind einige Hürden zu nehmen. Ein Blick in vier Ärztenetze zeigt, worauf es ankommt.
Die erste Frage, die vernetzungswillige Ärzte lösen müssen, lautet: Wie lassen sich die Daten aus den verschiedenen Arztinformationssystemen (AIS) zusammenbringen - und zwar so, dass auch jeder Netzarzt die Daten lesen und nutzen kann?

200 Netzärzte und 80 verschiedene Systeme
Im Praxisnetz Nürnberg Süd e.V. habe eine Evaluation unter den rund 200 Mitgliedspraxen ergeben, dass in den Netzpraxen 80 verschiedene AIS im Einsatz sind, berichtete Netzvorstand Dr. Michael Bangemann auf einem Workshop zur E-Patientenakte der Agentur deutscher Ärztenetze in Berlin. Nun gibt es drei Möglichkeiten:
Es kommt eine zusätzliche Netzsoftware zum Einsatz - dann müssen die Praxen aber auch zusätzlich in einem Parallelsystem arbeiten.
Alle Praxen stellen auf ein einheitliches EDV-System um und tauschen ihre Daten über dieses System aus und nutzen darüber auch gemeinsame E-Patientenakten.
Oder es wird eine Lösung gewählt, die sich in die bestehenden AIS integrieren lässt. Dann kann der Datenaustausch bzw. die Datensynchronisation der gemeinsamen Patientenakten etwa über einen Button aktiviert werden, der in der Praxis-EDV hinterlegt ist. Im Hintergrund arbeitet dann eine gemeinsame Plattform.
Im Praxisnetz Nürnberg Süd haben sich die Ärzte für eine Eigenentwicklung entschieden - und zwar eine, die Server-basiert läuft. Über ein Softwaremodul erhalten die Praxen aus ihrer Arztsoftware heraus Zugang zur Netzsoftware.
Wichtig: Die Daten aus der Praxis werden ohne Schreibzugriff übermittelt. Daten ändern könne nur der Arzt in seinem AIS, so Bangemann. Und auch immer, wenn etwas aus der gemeinsamen Datenbank herausgeholt würde, müsste es dazu eine Berechtigung und einen Auftrag geben.
Übermittelt werden nämlich alle Daten der Praxis, weil die Ärzte einen zusätzlichen Dokumentationsaufwand gescheut hätten.

Stehen die Server in den Praxen, hat das auch Nachteile
Ganz anders arbeitet das Ärztliche Qualitätsnetz Solingen solimed. "Wir haben uns auf Basisdaten im Netz verständigt", berichtete Netzmanager Mark Kuypers.
Und nicht nur das: Bei solimed sind alle Netzärzte tatsächlich auf eine einheitliche Software umgestiegen. Mit der Folge, dass die Praxen - je nachdem, wie sie EDV-technisch bereits ausgestattet waren - eine Startinvestition zwischen 5000 bis 15.000 Euro leisten mussten.
Und: Die Lösung läuft laut Kuypers dezentral, das heißt, die Daten liegen auf den jeweiligen Praxisservern. Kuypers: "Dadurch sind natürlich immer mal wieder Neu-Investitionen notwendig. Zum Beispiel jetzt zur Umstellung von ISDN auf DSL."
Außerdem habe es einiges an Kommunikationsaufwand gekostet, den Praxen beizubringen, dass ihre Server rund um die Uhr durchlaufen müssen, auch in der Urlaubszeit, weil sonst die anderen Netzärzte nicht auf Patientendaten zugreifen können.
Das Netz Südbrandenburg hingegen nutzt mit CURANET eine Parallelsoftware. Aber: Per Synchronisierungsbutton werden die Daten der beiden Systeme abgeglichen.
Dabei würden die Daten aus dem AIS und der Netzsoftware ausgelesen und geprüft, welche Daten im jeweils anderen System fehlen, so Netzmanager Dr. Carsten Jäger.

Gesundes Kinzigtal für automatischen Datenabgleich
Das Problem: Alles, was als Freitext im AIS dokumentiert wird, lasse sich hinterher nicht in der Netzsoftware für Auswertungen nutzen. "Deshalb rate ich den Ärzten in CURANET zu dokumentieren und dann die Daten im AIS zu synchronisieren", sagte Jäger.
Und mit der Datensynchronisation sprechen die Netzmanager auch bereits die nächste Hürde an: Hier müssen die Ärzte für sich entscheiden, ob sie die automatische Synchronisation wünschen, oder lieber aktiv Daten im Netz und der Praxissoftware abgleichen wollen.
Das Gesunde Kinzigtal hat sich für den automatischen Datenabgleich entschieden. "Die Daten werden jede Nacht auf allen Servern der Praxen, in denen der Patient war, synchronisiert", so Netzmanager Helmut Hildebrandt.
Das habe den Vorteil, dass alle auf demselben Wissensstand sind. Im Netz Südbrandenburg müssen Ärzte die Synchronisation nicht nur selbst aktivieren, sie könnten auch einzelne Inhalte vom Datenabgleich ausschließen. Jäger: "Das Problem, dass in einer elektronischen Patientenakte Daten fehlen, ist damit also vorhanden."
Doch damit nicht genug: Netzärzte müssen sich, bevor sie sich per IT zusammenschließen, auch mit dem sensiblen Thema Datenschutz auseinandersetzen. Denn Patientendaten dürfen ohne Einwilligung der Patienten weder weitergegeben, noch in irgendeiner Form ausgewertet werden.

Und da wäre noch der Datenschutz
In Südbrandenburg unterschreiben die Patienten vor der Aufnahme in die E-Patientenakte daher eine Einwilligungserklärung, in der auch stehe, dass das Netz die Daten anonymisiert auswerten und nutzen darf.
Kuypers wies darauf hin, dass bei einer Vernetzung mit Kliniken der Patient zumindest bei der Aufnahme in die Klinik auch noch einmal dem sektorübergreifenden Datenaustausch zustimmen müsse - falls dies nicht schon bei der Aufnahme ins Ärztenetz geschehe.
Die vier Netze haben ihre Vernetzungslösungen und die Einwilligungserklärung der Patienten zudem vorab vom Datenschutz prüfen lassen. Das beugt späterem Ärger - gerade wenn es um Versorgungsverträge geht - vor. Kostet aber natürlich zusätzliche Zeit.
Wer mit Kliniken kooperieren will, muss außerdem meist gehörig Geld in die Hand nehmen - denn dann braucht es nicht selten eine Schnittstelle zur Klinik-IT. Generell geht es nicht ohne Investitionen.
Alles zusammengerechnet, inklusive Arbeitsstunden im eigenen Netz, hat das Gesunde Kinzigtal, wie Hildebrandt berichtete, inzwischen über eine Million Euro für die Vernetzung - in der aber auch ein Versorgungsvertrag und einige Auswertungstools für Ärzte hinterlegt sind - ausgegeben. Eine Investitions-Marke, die auch Kuypers bestätigt.
"Ein großer Kostenblock ist auch die Schnittstelle zum Klinikinformationssystem", so Kuypers. 

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