mamonova news

Mammakarzinom-Therapie: Der routinemäßige Einsatz von Gentests ist derzeit nicht sinnvoll

Der Markt für Genexpressionsanalysen, die das Ansprechen auf bestimmte Chemotherapien vorhersagen, ist hart umkämpft. Die Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) gibt eine Einordnung.

Eine effektive anthrazyklin- und taxanhaltige Chemotherapie senkt die brustkrebsassoziierte Zehnjahressterblichkeit um etwa ein Drittel – unabhängig von Alter, TN-Stadium und Hormonrezeptorexpression. Der absolute Gewinn für die einzelne Patientin hängt jedoch entscheidend von ihrem Ausgangsrisiko ohne Chemotherapie ab. So haben Frauen mit einem geringen Rezidivrisiko nur einen geringen absoluten Nutzen durch eine adjuvante Chemotherapie.
Unterschied zwischen prognostischen und prädiktiven Faktoren: Prognostische Faktoren schätzen den Krankheitsverlauf der Patientin ohne spezielle Berücksichtigung einer adjuvanten medikamentösen Therapie ab und helfen zu beurteilen, welche Frau adjuvant behandelt werden soll beziehungsweise welche Patientin eine so gute Ausgangssituation hat, dass sie keine zusätzliche adjuvante Chemotherapie benötigt. Prädiktive Faktoren dienen zum Einschätzen der Effektivität einer bestimmten adjuvanten Therapie (Therapieansprechen). Sie unterstützen die Entscheidung, mit welcher Therapie eine Patientin behandelt werden soll.

Risikoabschätzung
Biomarker wie der Östrogenrezeptor (ER) oder der Human Epidermal Growth Factor Receptor-2 (HER2) haben neben der prognostischen vor allem auch eine prädiktive Bedeutung für das Ansprechen auf eine endokrine Therapie beziehungsweise HER2-zielgerichtete Therapie (AGO Empfehlungsgrad ++). Während bei hormonrezeptornegativen, triplenegativen und bei HER2-positiven Patientinnen eine adjuvante systemische Therapie in jedem Fall eine Chemotherapie sein muss, sollte bei hormonrezeptorpositiven Patientinnen eine Risikoabschätzung durchgeführt werden, ob zusätzlich zur endokrinen Therapie eine Chemotherapie erfolgen muss. Hier besteht – zusätzlich zu den klassischen klinisch-pathologischen Faktoren wie Alter, Tumorgröße, Nodalstatus, histologischer Differenzierungsgrad, Wachstumsfraktion (Ki-67), ER, PR und HER2, deren Verwendung in der klinischen Routine von der AGO eindeutig mit ++ empfohlen wird – die Möglichkeit, Risikoabschätzungen anhand weiterer tumorbiologischer Faktoren durchzuführen.
Von diesen Faktoren hat derzeit die Bestimmung der tumorassoziierten Proteolysefaktoren Urokinase-Plasminogen-Aktivator (uPA)/Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 (PAI-1), die bei N0-Patientinnen (HR+/−) evaluiert wurden, den höchsten Evidenzgrad und auch die größte Verbreitung in Deutschland (AGO +). Ein Nachteil für die tägliche Praxis ist, dass hierzu obligat frisches Tumorgewebe zur Bestimmung benutzt werden muss und der Tumor einen gewissen Mindestdurchmesser haben muss (etwa ab pT1c). Der ELISA-Test kann dezentral durchgeführt werden und ist kommerziell erhältlich (Femtelle®).
Auf dem Boden der prospektiven ChemoN0-Studie kann angenommen werden, dass nodalnegative Patientinnen mit niedrigen Werten auch ohne adjuvante Chemotherapie eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit aufweisen. Außerdem verbessert eine adjuvante Chemotherapie (in der zitierten Studie Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluorouracil/CMF) das rezidivfreie Überleben der anhand von uPA/PAI-1 als Hochrisikopatientinnen eingestuften Patientinnen verglichen mit keiner Chemotherapie.
Die prospektive NNBC-3-Studie, die bereits abgeschlossen ist, wird unter anderem zeigen, wie vielen nodalnegativen Patientinnen durch die Bestimmung von uPA/PAI 1 eine adjuvante Chemotherapie erspart werden kann und welche adjuvante Chemotherapie für die uPA/PAI-1-Hochrisikopatientinnen optimal ist. Ergebnisse werden für 2014 erwartet. Zu uPA/PAI-1 gibt es neben der prospektiven Therapiestudie ChemoN0 auch eine gepoolte Analyse der EORTC Receptor and Biomarker Group zur prognostischen Aussage mit mehr als 8 000 Patientinnen. Somit erreicht dieser Test das höchste Evidenzniveau (Level of Evidenz I).

Höchstes Evidenzniveau
Der ebenfalls kommerziell erhältliche Test MammaPrint® beruht auf der Amsterdamer 70-Gene-Signatur. Er wird an Frischmaterial zentral durchgeführt. Er wurde retrospektiv an zum Teil unbehandelten, zum Teil auch behandelten Patientinnen mit pN0-1-Tumoren validiert. In diesen Analysen war er in der Lage, eine Gruppe von Patientinnen zu definieren, die ein sehr geringes Rückfallrisiko haben (AGO +/−). In der Niedrigrisikogruppe zeigt sich retrospektiv nur ein geringer Zusatznutzen durch eine adjuvante Chemotherapie. Für die prospektiv randomisierte Studie (MINDACT) wurden 6 800 Patientinnen rekrutiert. Ergebnisse werden für 2015 erwartet.
Ein am Paraffinmaterial durchgeführter, ebenfalls kommerziell erhältlicher Genexpressionsassay ist Oncotype DX®. Hierbei wird mittels quantitativer Real-Time-Polymerasekettenreaktion (qRT-PCR) die Expression von 21 Genen gemessen. Die Bestimmung erfolgt am Paraffingewebe in einem US-amerikanischen Zentrallabor. Der Test ist evaluiert für hormonrezeptorpositive, nodalnegative und -positive Patientinnen (mit 1–3 befallenen Lymphknoten), die endokrine Therapie und zum Teil auch Chemotherapie erhielten.
Schrittweise validierte retrospektive Analysen am Archivmaterial zeigen, dass der Test prädiktiv für das Ansprechen auf eine Chemotherapie mit CMF beziehungsweise FAC (5-Fluorourazyl, Doxorubicin/Adriamycin, Cyclophosphamid) ist. Patientinnen mit niedrigem, mittlerem und hohem Risiko haben keinen beziehungsweise einen marginalen oder hohen Nutzen von dieser Chemotherapie. Zwei große randomisierte Studien mit mehr als 15 000 Patientinnen (TailorX, PlanB) überprüfen dies derzeit prospektiv. Erste Ergebnisse werden 2015 vorliegen.
Ein weiteres qRT-PCR basiertes Verfahren, der EndoPredict®-Test, wurde am Archivmaterial von postmenopausalen hormonrezeptorpositiven, endokrin behandelten Patientinnen validiert, die im Rahmen von zwei Studien der Austrian Breast and Colorectal Study Group (ABCSG) therapiert worden waren. Der Test kann am Paraffinmaterial dezentral durchgeführt werden. Er identifiziert in Kombination mit Tumorgröße und Nodalstatus bei ER-positiven/HER2-negativen Patientinnen eine Untergruppe mit sehr guter Prognose, die potenziell keiner weiteren adjuvanten Systemtherapie bedarf.

Dem Einzelfall vorbehalten
Zusammenfassend ist für die genannten Tests davon auszugehen, dass in den jeweils untersuchten Tumorgruppen Patientinnen mit sehr guter Prognose identifiziert werden können. Diese Information kann im Einzelfall eine nützliche Zusatzinformation für die Aufklärung der Patientin und die Entscheidungsfindung darstellen. Auch wenn die beiden letztgenannten Testverfahren formal anhand von prospektiv geplanten retrospektiven Analysen Level-I-Evidenz erreicht haben, wird die wissenschaftliche Belastbarkeit der Daten zu den Genexpressionstests derzeit noch kontrovers diskutiert.
Die Organkommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie kommt deshalb zum Schluss, dass der routinemäßige Einsatz der Genexpressionstests derzeit nicht generell empfohlen werden kann (AGO +/−). Der Einsatz soll dem begründeten Einzelfall vorbehalten sein und prioritär innerhalb von prospektiven Studien erfolgen. Eine Neubewertung der angesprochenen Tests wird nach Vorliegen von Daten aus prospektiven US-Studien erfolgen.

Prof. Dr. med. Anton Scharl,
Sprecher der Kommission Mamma der AGO e.V.
Koautoren: Nadia Harbeck, Wolfgang Janni, Ulrike Nitz, Anton Scharl, Marcus Schmidt, Andreas Schneeweiss und Michael Untch für die Kommission Mamma der AGO e.V.

Back