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Ringen um Gentests

Ärzte werben für Genexpressionstests bei Brustkrebs. Trotz nachgewiesener Evidenz stellt sich der Kassenverband quer

von Anno Fricke

BERLIN. Genexpressionstests könnten jedes Jahr mehr als 10.000 Brustkrebs-Patientinnen eine belastende Chemotherapie ersparen. Davon zeigte sich Professor Ulrike Nitz bei einer Pressekonferenz in Berlin überzeugt.

Es sei unverständlich, dass die Tests nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen stünden. Privatpatientinnen seien damit meist klar im Vorteil. "Prädiktive Verfahren in Deutschland einzuführen ist schwer, weil in Deutschland nur Substanzen bewertet werden", sagte Nitz bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Nitz, Chefärztin des Brustzentrums in Mönchengladbach, leitet die Westdeutsche Studiengruppe, die in der ADAPT-Studie den Oncotype DX-Test der kalifornischen Firma Genomic Health untersucht.

Dr. Gerald Wiegand, Geschäftsführer des deutschen Ablegers des Anbieters, beklagte die Systemlücke im deutschen Erstattungssystem. In den USA, Irland, Griechenland und Israel werde der Test bereits voll, in Kanada, Spanien Frankreich und Ungarn teilweise erstattet.

Zuletzt hatte die staatliche britische Zulassungsbehörde NICE Ende September Oncotype DX als einzigem Multigentest für Patientinnen mit einem frühen, hormonrezeptorpositiven Brustkrebs die Erstattungsfähigkeit zugesprochenWiegand rechnet, dass der Einsatz seines Multigentests den Kassen in Deutschland rund 561 Euro je Brustkrebspatientin sparen könnte.

Der Test koste 3180 Euro sagte Wiegand. Eine Chemotherapie schlage mit rund 13.000 Euro zu Buche, ergänzte Nitz. Nicht eingerechnet sei darin die Applikation und Folgekosten wie zum Beispiel Arbeitsausfall.

In Deutschland wird bei mehr als 70.000 Frauen im Jahr Brustkrebs diagnostiziert. Etwa 17.000 Frauen im Jahr sterben daran. Die verschiedenen Genexpressionstests werben damit, die Effektivität von Chemotherapien im Vorhinein bewerten und die Rückfallwahrscheinlichkeit prognostizieren zu können und Ärzten damit eine wichtige Entscheidungshilfe an die Hand geben zu können.

Schlake: Den GKV-Versicherten läuft die Zeit davon

Es gibt bereits eine Handvoll dieser Tests: MammaPrint, Oncotype DX, IHC4 und Mammostrat. Für die Erstattungsfähigkeit eines weiteren Tests auf dem deutschen Markt macht sich der Bundesverband Deutscher Pathologen in einer aktuell verbreiteten Pressemeldung stark.

Über die Labortische der Pathologen gehen alle Gewebeproben. Mit EndoPredict lasse sich bestimmen, ob eine Hormontherapie statt einer Chemotherapie ausreichend sei. Zudem ließen sich damit auch späte Metastasen nach dem fünften Überlebensjahr präzise vorhersagen. Der Test werde bereits an 25 Instituten in Deutschland und der Schweiz angeboten.

Dafür, dass Patientinnen in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen werden, stellt Pathologen-Präsident Professor Werner Schlake den GKV-Spitzenverband an den Pranger. Den gesetzlich Versicherten laufe die Zeit davon, weil der Verband sich der Erstattung mit der Begründung verweigere, die Tests seien nicht ausreichend validiert.

"Diese Begründung ist falsch", hält Schlake dagegen. Schon im September hatte der Spitzenverband sich gegen Vorwürfe gewehrt, er erschwere die Möglichkeit, prädiktive Tests zu Lasten der Kassen zu verordnen. Voraussetzung für die Aufnahme in den Leistungskatalog seien valide Studien, sagte Verbandssprecher Florian Lanz.

Diese lägen bislang nicht vor. Unterhalb der Spitzenverbandsebene gibt es bei den Kassen jedoch Interesse an den Tests. Die AOK Rheinland/Hamburg zum Beispiel beteiligt sich an der ADAPT-Studie der Westdeutschen Studiengruppe.

Ärzte berichten, dass einzelne Kassen die Tests auf Einzelantrag hin weiter erstatten. Und das, obwohl die freihändiger ausgeübten Möglichkeiten zum 1. Oktober stark eingeschränkt wurden.

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