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So lässt sich Brustkrebs bei Schwangeren behandeln

Ein Mammakarzinom kann auch während der Schwangerschaft behandelt werden. Die Therapie bleibt jedoch ein Balanceakt zwischen dem Wohl der Mutter und dem des Kindes.

NEU-ISENBURG. Brustkrebserkrankungen während der Schwangerschaft sind zwar selten, aber keine Einzelfälle.
Schätzungsweise ein Prozent aller Brustkrebserkrankungen wird bei schwangeren Frauen diagnostiziert, Tendenz steigend.
Belastbare Daten, wie schwangere Frauen am besten zu behandeln sind, gibt es nur begrenzt.
Und da Schwangere nicht in klinische Studien aufgenommen werden können, setzt man große Hoffnung in die Registerstudie der German Breast Group (GBG), in der seit Jahren unter Federführung von Professor Sibylle Loibl aus Neu-Isenburg die Daten schwangerer Krebspatientinnen systematisch gesammelt und analysiert werden.
Die ersten Erkenntnisse haben sich bereits in den Therapieempfehlungen niedergeschlagen.

Abruptio nicht empfohlen

Anders als noch vor Jahren rate man heute keiner schwangeren Brustkrebspatientin mehr zum Abbruch, berichtet Professor Loibl (Gynäkologe 2012, 45: 927-932).
Denn nach aktuellem Kenntnisstand verbessere sich die Prognose mit der Beendigung der Schwangerschaft nicht. Ausschlaggebend sei vielmehr die stadiengerechte und am biologischen Subtyp orientierte Behandlung.
Sei diese gewährleistet, unterscheide sich die Prognose eines in der Schwangerschaft diagnostizierten Mamma-Ca nicht von der eines Karzinoms gleichen Typs bei einer Frau gleichen Alters, die nicht schwanger ist.
Und die Tumorcharakteristika schwangerer und nicht schwangerer Mammakarzinom-Patientinnen sind vergleichbar.
Die Therapie schwangerer Patientinnen sollte sich an den Richtlinien für junge Nichtschwangere orientieren. Sie bleibt aber immer eine individuelle Entscheidung, da neben dem Gestationsalter und dem Stadium der Tumorerkrankung auch der Kinderwunsch sowie Wünsche der Patientin und des Paares zu berücksichtigen sind.
Ziel ist es, die jeweils beste Lösung für Mutter und Kind zu finden nach dem Grundsatz "so viel wie nötig, so wenig wie möglich".

Op in jeder Schwangerschaftsphase möglich

Gegen eine Brustkrebs-Operation spricht in der Schwangerschaft nichts. Der Eingriff kann relativ sicher für das Ungeborene in jeder Schwangerschaftsphase durchgeführt werden, nur im ersten Trimenon steigt das Abortrisiko leicht.
Ob die Brust vollständig abgenommen werden muss oder brusterhaltend operiert werden kann, entscheidet sich nach denselben Kriterien wie bei Nichtschwangeren, ebenso die Methodik der Lymphknotenentfernung aus der Axilla.
Mit einem modifizierten Ablauf ist bei Schwangeren auch eine Sentinel-Node-Biopsie möglich. Um die radioaktive Dosis zu verringern, rät Loibl zu einem Eintagesprotokoll mit zusätzlichem Blasenkatheter. Auf Patentblau ist aufgrund des höheren Anaphylaxie-Risikos zu verzichten.
Nicht indiziert ist bei Schwangeren in der Regel eine Bestrahlung. Bei der üblichen Standardtherapie mit neoadjuvanter oder adjuvanter Chemotherapie kann sie, ohne Nachteile befürchten zu müssen, um bis zu sechs Monate verschoben werden.

Chemotherapie nach der 13. SSW

Wenn die Tumoreigenschaften es erfordern, ist eine Chemotherapie auch in der Schwangerschaft ohne übermäßige Risiken für das Kind durchführbar, vorausgesetzt, man wartet die vollendete 13. Schwangerschaftswoche ab.
Nach Abschluss der Organogenese scheint, da sind sich Sibylle Loibl und Jessica Salmen von der Universitätsklinik Ulm sowie ihre Koautoren (Gynäkologe 2012, 45: 933-938) einig, die zytostatische Therapie die Fehlbildungsrate nicht zu erhöhen.
Als Standardregime gelten aktuell anthrazyklinhaltige Regime wie (F)AC oder (F)EC gemäß den Leitlinien der AGO Kommission Mamma (www.ago-online.de).
Sie werden bei Schwangeren am häufigsten eingesetzt und sind bei der insgesamt sehr überschaubaren Datenlage zur Chemotherapie in der Schwangerschaft noch am besten untersucht.
Bei Anwendung im zweiten oder dritten Trimenon scheint weder das Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft noch bei den Neugeborenen deutlich zu steigen.
Die Dosierung richtet sich wie bei nicht schwangeren Patientinnen nach Größe und Gewicht, wobei Loibl empfiehlt, sich am aktuellen Gewicht zu orientieren.
Eine Anpassung an das Gewicht vor der Schwangerschaft sei aufgrund der veränderten Metabolisierung der zytotoxischen Therapie infolge der physiologischen Veränderungen in der Schwangerschaft nicht notwendig.

Auch Taxane sind Option

Eine ähnlich gute Verträglichkeit zeichnet sich auch für Taxane ab: Zumindest die Daten aus dem GBG-Register und die aus dem letzten Jahr stammende Publikation von Cardonick et al. bescheinigen dieser Substanzgruppe ein relativ günstiges Sicherheitsprofil für den Feten.
Dass den Kindern eine Behandlung der Mutter mit Taxanen oder Vinkaalkaloiden kaum schadet, verdanken sie - so die Vermutung - den P-Glykoproteinen und "Breast Cancer Resistance Proteins" (BCRP) auf dem mütterlichen Anteil der Plazenta, die dort in großer Menge exprimiert sind. Diese Proteine helfen, Xenobiotika auszuschleusen.
Anthrazykline können hingegen die Plazenta passieren und ihre Metaboliten reichern sich in entsprechend hohen Konzentrationen im fetalen Gewebe an.
Für das Outcome der Kinder scheint das keine gravierenden Folgen zu haben: Die unmittelbar auftretenden Nebenwirkungen - alle reversibel - betreffen das blutbildende System und die Haare. Außerdem sinkt mit der Chemotherapie in utero das Geburtsgewicht, was laut Registerdaten aber ohne weitere Konsequenzen bleibt.
Auch die wenigen Daten zu den Langzeitfolgen sprechen für eine gute Verträglichkeit. Die untersuchten Kinder waren weder neurologisch noch kognitiv oder psychologisch auffällig. Endgültige Aussagen sind derzeit aber nicht zulässig.
Um etwa die langfristigen Folgen des kardiotoxischen Potenzials der Substanz, das spätere Malignomrisiko oder eine Beeinträchtigung der Fertilität einschätzen zu können, fordern Loibl und Salmen mehr Erhebungen, bei denen möglichst viele Kinder bis ins Erwachsenenalter untersucht werden.

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